Angsterkrankungen

Was sind Angsterkrankungen (Phobien, Panikstörungen)?

Angst gehört zur „Grundausstattung“ emotionalen Erlebens und weist auf alltägliche Gefährdungen hin, um dem Individuum Möglichkeiten zu bieten, sich entsprechend fürsorglich zu verhalten und vor Gefahren zu schützen, bzw. diese zu vermeiden. Es gibt keinen Menschen, der frei von Ängsten ist. Angst in diesem Sinne schützt vor möglichen Schäden und kann lebensrettend sein. Zum Beispiel aus Angst vor einem Unfall vor dem Überqueren der Straße nach links und rechts zu sehen oder sich im Auto anzuschnallen, sich auf einem steilen Weg festzuhalten, bei einer Lungenentzündung Medikamente (Antibiotika) einzunehmen, bei Sturm und Gewitter nicht auf die Straße zu gehen oder nachts die Haustüre abzuschließen beruhigt die zugrundeliegenden Angstgefühle und führt zu Verhaltensweisen, die im Selbstschutz letztendlich dem Überleben dienen können.

Ohne sich dieser Tatsache bewusst zu sein, führen Alltagsängste das Individuum durch die Gefährdungen des Lebens.

Wenn diese grundsätzlich sinnvolle Angst allerdings ein übersteigertes Ausmaß annimmt oder auch ohne entsprechenden Auslöser auftritt und dem Betroffenen das Leben schwer macht, spricht man von einer Angsterkrankung. Diese liegt im weiteren Sinne auch vor, wenn unbewusste Ängste (z.B. Beziehungsängste) einschränkend auf die Lebensgestaltung einwirken und zu entsprechendem Leiden führen (Verzicht auf Partnerschaft oder „falsche“ Partnerwahl).

Zu den wichtigsten Formen der Angsterkrankungen zählen:

- Panikstörungen (mit oder ohne Agoraphobie/Platzangst)
- Generalisierte Angststörungen
- Soziale Angststörungen (Soziophobien)
- Andere, spezifische Phobien (vor Dingen oder Situationen)

Eine Angststörung, die nicht behandelt wird, kann sich verstärken und ausweiten sowie immer mehr verselbständigen.

Dabei kann es als Erwartungsangst zur „Angst vor der Angst“ kommen. In einem solchen Verlauf werden die Betroffenen zunächst versuchen, angstauslösende Dinge, Orte und Situationen mehr und mehr zu vermeiden. In der Folge kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung von Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten.

Zu dem Angstgefühl gesellen sich im weiteren auch körperliche Symptome (Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Schlafstörungen, Verdauungsstörungen), die für den Betroffenen einen erheblichen Leidensdruck darstellen können. Sekundär können aus einer Angststörung heraus Selbstwertprobleme, Beziehungsprobleme und Bewältigungsschwierigkeiten im persönlichen und beruflichen Alltag entstehen. Manchmal kommt es zu „Selbstheilungsversuchen“ durch den Einsatz von Alkohol oder Medikamenten (Beruhigungsmittel wie z.B. Benzodiazepine), womit die Betroffenen kurzfristig eine Entlastung erleben, langfristig jedoch Gefahr laufen, eine Abhängigkeitserkrankung (Sucht) zu entwickeln.

Was ist eine Panikstörung (Panikattacken)?

Unter einer Panikstörung versteht man wiederkehrende, schwere Angstanfälle mit massiven psychischen und körperlichen Symptomen, die auch ohne bewusst ersichtliche Auslöser auftreten können (erfolgreiche Therapieansätze wären in diesen Fällen vor allem in den tiefenpsychologischen oder analytischen Verfahren zu finden, während bei Vorliegen konkreter Auslöser eine Verhaltenstherapie in Erwägung zu ziehen wäre).

Zu den häufigsten Symptomen einer Panikstörung zählen:

  • Atemnot
  • Benommenheit
  • Ohnmachtsgefühle, Unsicherheit, Schwindel
  • Spürbares Herzklopfen oder unregelmäßiger Herzschlag (Arrythmie)
  • Zittern (Tremor)
  • Schweißausbrüche, feuchte Hände
  • Engegefühl in der Brust, Erstickungsgefühle, Atemnot
  • Übelkeit, Bauchbeschwerden
  • Unwirklichkeitsgefühle, Entfremdung (Derealisation)
  • Hitzewallungen oder Frösteln und Kälteschauer
  • Todesängste
  • Angst vor Kontrollverlust, oder sich zu blamieren
  • Taubheits- oder Kribbelgefühle (Parästhesien)

Die Dauer einer Panikattacke kann von wenigen Sekunden über Minuten oder im Extremfall einige Stunden andauern. Die Häufigkeit kann zwischen mehrfach täglich bis monatlich variieren. Oft kommt es bei den Betroffenen zu einer Besorgnis oder Angst vor der nächsten möglichen Attacke. Meist suchen die Patienten zunächst Notfallambulanzen von Krankenhäusern auf oder alarmieren den Notarzt für einen Hausbesuch. Es kommt zu häufigen Arztbesuchen und wiederholten somatischen Abklärungen, die meist ohne einen fassbaren Befund verlaufen, ohne dass dies zu einer Beruhigung führen könnte.

Im Gegenteil entwickelt sich oft die Überzeugung von einer noch nicht entdeckten körperlichen Erkrankung, was wiederum zu frustrierenden Wiederholungsuntersuchungen führen kann bis hin zur wahnhaften Vorstellung, an einer lebensbedrohlichen, unentdeckt gebliebenen körperlichen Erkrankung zu leiden.

Panikattacken entstehen oft völlig überraschend, quasi aus heiterem Himmel ohne einen konkreten Auslöser (z.B. in Ruhe vor dem Computer) und führen dann in besonderem Maße zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit, weil es hierfür keine geeigneten Vermeidungsstrategien gibt.

Behandlungstechnisch bieten sich in diesen Fällen modifizierte tiefenpsychologisch oder analytisch orientierte Verfahren an, bei denen auch zunächst nicht erkennbare, unbewusste Aspekte zum Tragen kommen. Andererseits gibt es auch konkrete Auslöser, was die Therapieoptionen zunächst vereinfachen kann (z.B. in einer Verhaltenstherapie).

In etwa einem Drittel der Panikstörungen entwickelt sich eine Agoraphobie, also die Angst über freie Plätze zu gehen (auch als Platzangst bekannt), was für die Betroffenen zu entsprechenden Vermeidungsstrategien führen kann. Die Platzangst geht meist einher mit der Besorgnis, nicht schnell genug wegzukommen, einen Arzt zu finden, oder sich auf irgendeine Art auffällig zu verhalten und damit peinliche Situationen (Schamgefühl) zu provozieren. Zu den häufigen Situationen, die von den Patienten gemieden werden, gehören:

  • Menschenmengen
  • Öffentliche Plätze und weite Räume
  • Reisen über große Entfernungen (weg vom schützenden Zuhause)
  • Schlangestehen (Supermarkt, Kartenschalter)
  • Fahrstuhl benutzen, Bus- oder Autofahren
  • Flugzeuge besteigen

In ausgeprägten Fällen kann es dazu kommen, dass die Betroffenen ihre Teilnahme am Leben immer mehr einschränken, ihr gewohntes Umfeld kaum noch verlassen und sich in ihre Wohnungen zurückziehen.

Die Häufigkeit von Panikstörungen in der Allgemeinbevölkerung beträgt etwa zwei bis drei Prozent, wobei Frauen doppelt so oft betroffen sind als Männer. Meist entwickeln sich die Symptome zwischen dem 20. Und 30. Lebensjahr. Danach kommt es oft zu einer Reduktion der Symptomatik oder manchmal auch einem weitgehenden Verschwinden des Krankheitsbildes.

Was ist eine generalisierte Angststörung?

Das zentrale Symptom einer generalisierten Angststörung sind anhaltende Sorgen oder Ängste, die sich nicht auf bestimmbare konkrete Situationen beziehen, sondern verschiedene Lebensbereiche umfassen. Oftmals besteht eine grundsätzliche Haltung von Besorgnis oder Ängstlichkeit, die zur Persönlichkeit gehörend wahrgenommen wird.

Manchmal geht es auch um Sorgen oder Ängste, die sich auf reale Gefährdungen oder Bedrohungen beziehen, zum Beispiel auf mögliche Autounfälle, Erkrankungen oder verschiedene denkbare Schicksalsschläge. Kennzeichen dieser Ängste ist eine unrealistische Übersteigerung im Vergleich zur adäquaten Angst, die (siehe oben "Was sind Angsterkrankungen") zur notwendigen und sinnvollen emotionalen „Grundausstattung“ gehört. Die Betroffenen leiden unter Unruhe, Anspannung, Nervosität und häufig Schlafstörungen.

Die einzelnen Symptome treten dabei nicht, wie bei der Panikstörung, zusammen und plötzlich auf, sondern können einzeln und über den Tag verteilt in vorkommen:

  • Herzrasen
  • Zittern
  • Ruhelosigkeit, Nervosität
  • Feuchte (kalte) Hände, Schwitzen
  • Mundtrockenheit, Kloßgefühl im Hals
  • Übelkeit
  • Verdauungsstörungen
  • Muskelverspannungen (bevorzugt im Nacken/Schulterbereich)


Die beschriebenen diffusen Angstgefühle und Besorgnisse führen zu einer wachsenden Einschränkung, sich im persönlichen und beruflichen Leben weiter zu entwickeln, zu einer Verringerung des Selbstwertgefühles sowie zu einer allgemeinen Rückzugstendenz und Vermeidungsverhalten. Dabei kommen im Verlauf auch oftmals Symptome einer Depression hinzu, sodass das Bild einer depressiv-ängstlichen Entwicklung entstehen kann. In der Allgemeinbevölkerung finden sich generalisierte Angststörungen relativ häufig, wo sie mit vier bis sechs Prozent vertreten sind. Ihren Beginn haben diese Störungen häufig um das 30. Lebensjahr.

Was ist eine soziale Angststörung (soziale Phobie)?

Soziale Phobien können auch verstanden werden als eine extreme Form von Schüchternheit, verbunden mit der Besorgnis, irgendwie negativ aufzufallen oder sich zu blamieren (Schamangst). Menschen mit einer sozialen Phobie fühlen sich meist von anderen kritisch beobachtet und beurteilt.

Folgende Lebenssituationen können mit dem Erleben einer sozialen Phobie einhergehen:

  • Im Mittelpunkt besonderer Aufmerksamkeit zu stehen (Rede halten, etwas vorführen, erklären, zeigen vor Publikum)
  • Unterrichtssituationen (abgefragt werden, vor der Tafel stehen müssen)
  • Besuch einer Behörde oder eines Arztes
  • Gespräch mit einem Vorgesetzten
  • Restaurantbesuch
  • Jemanden Kennenlernen (Verabredungen)
  • Sich in der Öffentlichkeit gut sichtbar zu bewegen (Straßen, Plätze überqueren)

Menschen mit einer Sozialphobie versuchen zunehmend, sich solchen Situationen zu entziehen und entwickeln ein entsprechendes Vermeidungsverhalten. Insofern sich die auslösenden Situationen nicht vermeiden lassen, kann es zu den oben beschriebenen Symptomen eines Angstanfalls kommen, darüberhinaus zu Zittern, Schwitzen, Erröten oder Stottern. Manchmal entsteht auch ein Drang, eine Toilette aufzusuchen.

Soziale Phobien sind weit verbreitet und man rechnet mit etwa sieben Prozent Betroffener unter der Allgemeinbevölkerung. Diese Angststörung kann bereits in der Kindheit/Jugend/Pubertät ihren Anfang nehmen und sich schleichend weiterentwickeln (größte Verbreitung zwischen dem 20. Und 30. Lebensjahr) hin zu einer ausgeprägten Symptomatik, die bei den dann vorherrschenden Einschränkungen in der Lebensführung und dem damit verbundenen Leidensdruck eine Psychotherapie (bevorzugt tiefenpsychologisch oder analytisch orientiert) notwendig und sinnvoll machen.

Was sind spezifische Phobien?

Bei den spezifischen Phobien bezieht sich die Angst auf konkrete Objekte oder Situationen, die im allgemeinen ungefährlich und harmlos sind.

Unter anderem gibt es die Angst vor Tieren (Tierphobie), wie Hunde, Katzen, Mäuse, Ratten, Insekten (Spinnen).

Zu den situativ ausgelösten Phobien gehören die Höhenangst, Angst vor Brücken, Aufzügen, dem Autofahren, sowie die Angst vor körperlichen Beschädigungen (Verletzungen) beim Arztbesuch oder bevorstehenden Operationen.

Schon der Gedanke an die auslösenden Objekte oder Situationen kann zur Angstauslösung führen. Die Ausprägung der Angst kann von einem leichten Unbehagen bis hin zur panischen Angst reichen. Oft wissen die Patienten, dass sie unrealistisch und übertrieben reagieren im Vergleich zu anderen Menschen. Diese Erkenntnis jedoch führt nicht zu einer Veränderung oder Angstverminderung.

Der Weg zu einer hier dringend indizierten Psychotherapie (tiefenpsychologisch oder analytisch bei entsprechender Vorgeschichte oder ggf. verhaltenstherapeutisch bei eng umschriebener Symptomatik) kann durch Vorurteile oder Scham erschwert werden, sodass Betroffene erst den Behandler aufsuchen, wenn ein erheblicher Leidensdruck und eine weitreichende Einschränkung von Lebensgestaltung vorliegt (Chronifizierung der Erkrankung). Oftmals erfolgt zunächst, z.B. über den Hausarzt eine monate- oder jahrelange Vorbehandlung mit Psychopharmaka, die nicht zu einem nennenswerten Erfolg führt und das Risiko von vielen Nebenwirkungen oder einer Abhängigkeit in sich birgt.
Frauen sind überdurchschnittlich oft von spezifischen Phobien betroffen, sodass z.B. etwa 90% der Patienten mit einer Tierphobie weiblich sind.

Wann ist Angst krankhaft (behandlungsbedürftig)?

Der Übergang von einer normalen, adäquaten Angst (die auch lebensnotwendig ist als hinweisendes Gefühl mit Alarmcharakter) bis hin zu einer Angststörung mit inadäquaten Angstreaktionen, die das Leben zunehmend beeinträchtigen, ist fließend. Wer beim Besteigen eines Fahrstuhles ein kribbeliges Gefühl entwickelt, sich vor Insekten, Spinnen oder Mäusen fürchtet, Angst hat vor einer Prüfung oder einer zu haltenden Rede, leidet noch nicht an einer behandlungsbedürftigen Angststörung.

Wer jedoch eine oder mehrere der folgenden Fragen in einem kurzen check-up mit „ja“ beantwortet, sollte sich zumindest zu einer Abklärung und Beratung zu einem Facharzt für Psychosomatische Medizin bzw. Psychiatrie (Psychiater) begeben, um eine genaue Diagnostik und ggf. Therapieempfehlung zu erarbeiten.

Kurzer Selbsttest - habe ich eine Angststörung?

  • Ich denke zu 80% des Tages über meine Ängste nach
  • Ich fühle mich durch meine Ängste in meiner Lebensqualität eingeschränkt
  • Ich erlebe mich in meiner Bewegungsfreiheit zunehmend eingeschränkt
  • Neben den Angstzuständen fühle ich mich auch zunehmend depressiv
  • Ich versuche, meine Ängste durch Alkohol oder Medikamente (Psychopharmaka) zu beschwichtigen
  • Die Ängste gefährden auch zunehmend meine Beziehung
  • Die Ängste führen zu wachsenden Problemen in meiner Berufsausübung
  • Wegen meiner Ängste habe ich auch schon Suizidgedanken entwickelt

Was sind die Ursachen von Angsterkrankungen?

Über die Entstehung von Angsterkrankungen gibt es unterschiedliche Theorien. Bezogen auf die Menschheitsgeschichte und –entwicklung haben alle Ängste einen natürlichen Hintergrund. Spezifische Phobien lassen sich auf Urängste der Menschheit zurückführen, die in früheren Zeiten von Bedeutung waren, in der heutigen aktuellen Lebenssituation jedoch meist überflüssig erscheinen.

Angst vor gefährlichen Tieren oder Situationen (z.B. Raubtiere, Schlangen, giftige Spinnen, Unwetter und Gewitter) war einst überlebensnotwendig, um entsprechende Vermeidungs- oder Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die dem Überleben dienten. Furchtlose Individuen liefen eher Gefahr, umzukommen, sodass im Rahmen der Evaluation auf dem Erbwege vor allem Lebewesen überdauerten und sich weiterentwickelten, die über eine adäquate Angstreaktion verfügten. Die körperlichen Vorgänge, die bei einer Angstreaktion in Erscheinung treten, dienten ursprünglich dazu, dem Individuum eine angemessene Bewältigungsreaktion auf die drohende Gefahr zu zeigen: durch Herzrasen vermehrt sich die Durchblutung der Muskeln, beschleunigte Atmung befähigt zu ausdauernder Leistung und die erhöhten Hormonspiegel ermöglichen eine besondere Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft.

Damit werden zwei grundsätzliche Reaktionen vorbereitet, die der Gefahrenbewältigung dienen: Flucht oder Angriff. Bei Angsterkrankungen sind diese natürlichen Reaktionsmuster jedoch überzogen und inadäquat und dienen keinesfalls mehr der Gefahrenabwehr oder- bewältigung. Zudem sind die Muster von Flucht oder Kampf im komplexen Alltag der Interaktionen zumeist unangebracht oder gänzlich verschlossen (ein schwieriges konflikthaftes Gespräch mit einem Vorgesetzten oder Partner lässt sich damit nur schwerlich kreativ und konstruktiv meistern).

Angst entsteht durch ein Zusammenwirken komplexer erblicher (genetischer), hormonaler (biologischer), sowie psychischer Faktoren.

Genetische Faktoren

Zu den genetischen Faktoren zeigen sich in Untersuchungen eine Häufung von Angsterkrankungen in Familien. Bei eineiigen Zwillingen zeigen sich Angststörungen häufiger gleichzeitig als bei zweieiigen. Bislang konnte allerdings noch kein spezifisches Gen identifiziert werden, die Annahmen gehen eher in die Richtung, dass ein Zusammenwirken unterschiedlicher Gene für die Entwicklung einer Angsterkrankung mit ursächlich sein könnte.

Neurobiologische Faktoren

Biologische und biochemische Vorgänge im Körper spielen bei der Entwicklung von Angstattacken und Angsterkrankungen eine bedeutsame Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass bei Angststörungen ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern (Botenstoffen im Gehirn), wie zum Beispiel Serotonin, Noradrenalin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) vorliegt. Die Bedeutung von Serotonin beim Ursprung der Angstentwicklung wird u.a. dadurch verifiziert, dass Medikamente gegen die Angst wirksam sind, die den Serotonin-Abbau hemmen und damit eine Konzentrationszunahme von Serotonin im Gehirnstoffwechsel bewirken (sogenannte Serotoninwiederaufnahmehemmer/SSRI). Gleiche Zusammenhänge gelten auch für den Botenstoff Noradrenalin. GABA (Aminobuttersäure) zählt zu den Angst hemmenden Botenstoffen im Gehirn. Bei Angstpatienten lassen sich durch radiologische Untersuchungen (MRT) im Gehirn Veränderungen in den Bereichen nachweisen, die für die Steuerung menschlicher Emotionen zuständig sind.

Daraus ergeben sich Therapieoptionen, mit geeigneten Medikamenten ausgleichend in den Gehirnstoffwechsel einzugreifen. Diese Behandlungsansätze unterliegen grundsätzlich Psychiatern oder Fachärzten für Psychosomatische Medizin, die hierfür spezialisiert sind und die notwendigen Medikamente verordnen können.

Idealerweise sollte eine geeignete Psychotherapie (tiefenpsychologisch oder analytisch) mit einem hierzu zugelassenen Medikament kombiniert werden, da dieser ganzheitliche Ansatz die größten Erfolgsaussichten zeigt.

Psychische Faktoren

Mehrere psychische Faktoren können an der Entwicklung von Angsterkrankungen beteiligt sein. Hierzu zählen traumatisierende Kindheitserlebnisse (körperliche oder sexuelle Übergriffe oder Gewalt, sexueller Missbrauch), langanhaltende stressreiche Belastungen im beruflichen oder privaten Alltag oder den persönlichen Beziehungen gelten als Risikofaktoren für eine Angststörung. Nach der Lerntheorie (die der Verhaltenstherapie nahesteht) können negative Lebenserfahrungen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Angsterkrankungen begünstigen. Das sekundäre Vermeidungsverhalten als mögliche (wenngleich inadäquate Bewältigungsstrategie) nimmt den Betroffenen zunehmend die Möglichkeit, ausgleichende und positive Lernerfahrungen zu machen und kann zu einer Chronifizierung der Angsterkrankung führen.

Psychoanalytische oder tiefenpsychologische Theorien zur Entstehung von Angsterkrankungen greifen in ihren Ansätzen tiefer. Sie berücksichtigen auch den gewichtigen Teil unbewusster Erinnerungen, Erfahrungen und früherer Beziehungskonstellationen in der Kindheit, greifen also in ihrem Ansatz tiefer und über die bewusst erlebbaren und sichtbaren Aspekte einer Angsterkrankung hinaus. Die darauf aufbauenden Therapien sind somit gründlicher und aufwendiger und zielen neben der Symptombekämpfung der bewusstseinsnahen Verhaltenstherapie auf das Erkennen unbewusster Zusammenhänge und damit den eigentlichen tieferen Ursachen, die einer Angsterkrankung zugrunde liegen können.

Dazu zählen vor allem auch Hypothesen, dass verdrängte und damit unbewusste sexuelle und/oder aggressive Triebimpulse spätere Angststörungen zur Folge haben können. Dementsprechend gehen die tiefenpsychologische Psychotherapie und noch intensiver die Psychoanalyse (psychoanalytische Psychotherapie) davon aus, dass durch Erinnern und Durcharbeiten dieser verdrängten „Triebschicksale“ eine nachhaltige Veränderung und schließlich dauerhafte Heilung von Angsterkrankungen möglich sein kann, weil nicht nur die Veränderung auf der Symptomebene (wie in der kognitiven Verhaltenstherapie) im Mittelpunkt therapeutischen Interesses steht.

Wie lassen sich Angsterkrankungen (Angststörungen) diagnostizieren?

Da Angst ein grundsätzliches menschliches Phänomen ist und damit zu der wesentlichen emotionalen „Grundausstattung“ gehört, muss in einem ausführlichen Arzt-Patientengespräch zunächst herausgefunden werden, inwieweit eine krankheitswertige Angst vorliegt, die über das normale Erleben hinausgeht. Es muss eine ausführliche Anamnese (Krankheitsgeschichte) erhoben werden und die bestehende Symptomatik festgestellt werden, damit schließlich ein Befund und die dazugehörige Diagnose gestellt werden können.

Dabei lässt sich nach der Untersuchung auch feststellen (Differentialdiagnose), welche Form einer Angststörung gegebenenfalls vorliegt (Panikattacken, generalisierte Angststörung, Phobie).

Da sich Ängste vor allem in körperlichen Beschwerden äußern, müssen immer auch organische Ursachen einer Angst abgeklärt werden, bevor von einer psychischen Störung ausgegangen werden kann, die letztendlich durch eine geeignete Psychotherapie oder medikamentös behandelt werden muss. Zu den organisch bedingten Erkrankungen, die das Bild einer Angststörung zeigen können, zählen z.B. Herzrhythmusstörungen, Schilddrüsenerkrankungen oder hormonell bedingte Störungen. Die notwendige somatische Untersuchung beinhaltet eine Kontrolle der Blutwerte (Labor), ein EKG, gegebenenfalls ein EEG, (Untersuchung der Gehirnströme) oder ergänzend eine Magnetresonanztomografie (MRT).

Wie können Angststörungen behandelt werden (Therapie)?

Patienten mit einer Angststörung suchen oftmals erst nach jahrelangem Leiden einen Arzt oder Therapeuten auf. Andererseits lassen sich Angsterkrankungen umso besser  therapieren, je früher eine geeignete Behandlung einsetzt. Es gibt inzwischen wissenschaftlich fundierte und anerkannte Behandlungsstrategien, um eine Angststörung wirksam zu verbessern oder zu heilen.

Zu den wichtigsten Ansätzen zählen die tiefenpsychologisch oder analytisch orientierten Psychotherapien, die nicht nur die Symptomatik im Auge behalten, also sich auf der Oberfläche von Angstphänomenen begeben, sondern darüber hinaus die Lebensgeschichte und Persönlichkeit des Patienten auch mit ihren unbewussten Anteilen erfassen können.

Auf eine Symptomreduzierung gerichtete Therapie, wie z.B. die Verhaltenstherapie, kann Sinn machen, wenn die Betroffenen keinen tiefergehenden Ansatz wünschen und die Angst in einem definierten und umschreibbaren Umfang einzugrenzen ist (z.B. bestimmte Formen einer Phobie).

In jedem Fall ist die Mitwirkung des Patienten vorrangig, eine Heilung nach dem Motto „wasch mich, aber mach mich nicht nass“ ist unwahrscheinlich. Betroffene sind angehalten, sich immer wieder im erträglichen Maße den Ängsten zu stellen, statt ein zunehmendes Vemeidungsverhalten zu entwickeln, das die Angst immer weiter verstärken kann. Z.B. bewusst bei einer Agoraphobie Plätze oder Straßen zu überqueren, sich also den angstauslösenden Situationen zu stellen kann Ängste abbauen helfen, weil damit die Erfahrung möglich wird, dass sich die phantasierten Folgen oder Katastrophen letztendlich doch nicht einstellen.

Die medikamentöse Therapie von Angststörungen, die in der Regel begleitend zu einer Psychotherapie erfolgt,  wird bevorzugt von Fachärzten durchgeführt (Facharzt für Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatik, Facharzt für Psychotherapie), die dafür speziell ausgebildet sind und das medizinische Hintergrundwissen haben. Zu den wichtigsten Medikamenten (Psychopharmaka) zählen besondere Antidepressiva (Serotonin- oder Noradrenalinwiederaufnahmehemmer), Neuroleptika, bestimmte Antikonvulsiva (Medikamente, die ursprünglich in der Epilepsie eingesetzt wurden) sowie im Einzelfall und begrenztem Umfang Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel, die wegen der bestehenden Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung nur sehr zurückhaltend  eingesetzt werden dürfen. Meistens werden die Medikamente bei entsprechender Wirksamkeit noch sechs bis zwölf Monate nach Eintritt der Besserung weiter verabreicht, um eine Stabilisierung zu erreichen und einem etwaigen Rückfall vorzubeugen.